Von Claudia Behrend
In Hamburg könnte die Logistik mit Lastenrädern Unterstützung bekommen. Im Rahmen der ITS-Strategie sollen Wegstrecken für den urbanen Raum künftig mit einer App geplant werden.

Wer einmal ein Lastenrad gefahren ist, weiß um den Unterschied: Ein spritziges Rennrad hat mit einem Schwerlastrad etwa so viel gemein wie ein Kleinwagen mit einem LKW. Das fängt beim erheblich größeren Wendekreis an, der berücksichtigt werden muss. Auch andere Faktoren wirken sich deutlich stärker aus. Eine starke seitliche Windböe kann für ein normales Zweirad unangenehm werden, ein mit bis zu 250 kg beladenes E‑Lastenbike könnte umkippen. Auf holprigem Kopfsteinpflaster wird nicht nur der Fahrer, sondern auch die Ladung durchgerüttelt, und unverhoffte Engstellen können zu eigentlich vermeidbaren Umwegen führen. Während allerdings die Routenplanungssysteme der großen Logistikdienstleister in Deutschland für die letzte Meile immer ausgereifter werden, gibt es in Deutschland – soweit bekannt – derzeit noch keine entsprechende Software für Lastenräder. Bereits entwickelt wurde jedoch die Unterstützung von Radfahrern per App und sogar speziell für den urbanen Raum. Im Routenplaner von „Bike Citizens Mobile Solutions“ aus dem österreichischen Graz sind bisher als Nutzer allerdings nur Fahrer von Mountainbikes, Citybikes und Rennrädern hinterlegt, die mit Hilfe der Anwendung wahlweise den gemütlichsten oder schnellsten Weg wählen können.
UPS setzt deutschlandweit 70 Cargobikes ein – Acht davon in Hamburg. Die Zusteller würden ihre jeweiligen Gebiete gut kennen, versichert das Unternehmen. Neue Zusteller werden trainiert und zunächst begleitet.
Auch Hermes – für das Unternehmen sind derzeit bundesweit täglich eine zweistellige Anzahl an E‑Cargobikes auf innerstädtischen Zustelltouren unterwegs – vertraut auf seine Fahrer. „Eine Navigationssoftware wird derzeit nicht genutzt, da die Tourengebiete sehr klein sind und die eingesetzten Fahrer über weitreichende lokale Wegekenntnisse verfügen“, sagt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. „Nichtsdestotrotz planen wir, ihnen im weiteren Jahresverlauf eine Navigationshilfe auf die verwendeten Scanner zu spielen.“ Dadurch könnten die Fahrer flexibler auf kurzfristige Tourenänderungen reagieren.
Das Berliner Radlogistikunternehmen Velogista geht einen anderen Weg und nutzt das Transportmanagementsystem Urbantz. Das ist für die letzte Meile ausgelegt – allerdings für LKW. Abkürzungen durch den Park werden hier ebenso wenig angezeigt wie die Zulassung von Fahrradverkehr in der Gegenrichtung in Einbahnstraßen. Oft seien allerdings die Disponenten erfahren und die Fahrer pfiffig genug, um trotz anderer digitaler Empfehlung die bestmögliche Route selbst zu finden.
Beim Hamburger Unternehmen Tricargo mit derzeit acht Lastenrädern wird eine Mischung verschiedener Navigationssysteme genutzt.

Cargobikes wurden im Jahr 2019
in Deutschland verkauft
Quelle: Zweirad-Industrie-Verband
Idee entstand bei Hackathon
Überzeugt haben sie damit auch Hans Stapelfeldt, der als ITS-Netzwerkmanager bei der Logistik-Initiative Hamburg Projekte im Rahmen des planmäßig 2021 in Hamburg stattfindenden Weltkongresses vorantreibt. „Potenzielle Anwender eines solchen Systems sind Kep-Dienstleister, Handwerker und alle mobilen Dienstleister ebenso wie Fahrradfahrer, Routing-Provider, Hersteller von Cargobikes und Anbieter von Bike-Sharing beziehungsweise Fahrradflotten“, erläutert der ITS-Netzwerkmanager.
„Voraussetzung und zugleich Herausforderung ist die Weiterentwicklung eines vorhandenen Kartenmodells, das spezifische Echtzeitdaten abbilden und in eine intelligente Routenplanung integrieren kann.“ Zudem müssten verschiedene Datenquellen integriert und Inputdaten aufgenommen sowie verarbeitet werden können. „Leider sind wir dann mit dem Konzept erst einmal nicht weitergekommen, weil wir Geld für eine erste Testphase gebraucht hätten“, bedauert Stapelfeldt.
Partner aus der Wirtschaft gesucht
„Was wir jetzt brauchen, sind zwei bis drei Partner aus der Wirtschaft, die auch die großen Chancen von Cargobikes in den Quartieren sehen und ein Pilotprojekt finanzieren“, so der ITS-Netzwerkmanager. Rückendeckung erwartet er dafür auch vom neuen Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks von den Grünen. Und selbst bei dessen Kollegen auf Bundesebene, Andreas Scheuer von der CSU, hat ein Umdenken eingesetzt: Er bezeichnete sich 2019 als Fahrradminister.
Das Potenzial für eine solche Software ist auf jeden Fall da: Schätzungen zufolge können rund 20 Prozent des urbanen Lieferverkehrs mit Cargobikes abgewickelt werden.