Der Ansatz für die letzte Meile verringert den Lieferverkehr in der Innenstadt nur unwesentlich, kreiert aber zusätzliche LKW-Verkehre zwischen den Depots der Kep-Dienstleister
Besonders in den Innenstädten sind Kep-Dienste, die in der zweiten Reihe oder auf dem Fahrradstreifen parken, ein vertrauter Anblick. Die Anzahl der versendeten Pakete ist in Deutschland seit 2010 stets gestiegen. Im vergangenen Jahr waren es 3,52 Mrd.
Immer mehr Städte arbeiten an Konzepten, um das Verkehrsaufkommen durch Lieferverkehre zu reduzieren. White Label und Konsolidierung sind oft genannte Lösungen, die Abhilfe schaffen sollen. Das Konzept „einer für alle“ hatte eben schon immer einen gewissen Reiz.
Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (Biek) hat das Thema mit seiner Studie „Quantitative Untersuchung der konsolidierten Zustellung auf der letzten Meile am Beispiel zweier Kep-Unternehmen in den Städten Nürnberg und München“ genauer unter die Lupe genommen – und der ein oder anderen Kommune wohl den Wind aus den Segeln genommen. Denn, das Bündeln von Sendungen für bestimmte Gebiete reduziert das Verkehrsaufkommen in den Innenstädten nicht und generiert zudem zusätzliche Verkehre auf der vorletzten Meile.
Untersucht wurden reale Daten von zwei Kep-Unternehmen an drei Tagen mit unterschiedlichem Sendungsaufkommen. Die Städte Nürnberg und München wurden als Beispiele gewählt, weil die Depots der Dienstleister in Nürnberg günstig für eine Konsolidierung liegen und in München nicht. So konnte man beide Szenarien genauer analysieren.
Die Lieferwagen sind voll
Hermes ist wenig überrascht von den Ergebnissen der Untersuchung. „Alle Marktteilnehmer sind schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen daran interessiert, ihre Fahrzeuge bestmöglich auszulasten“, sagt eine Hermes-Sprecherin. Wettbewerber DPD bestätigt das und fügt hinzu, dass die Untersuchung nicht nur zeige, dass eine konsolidierte Zustellung nicht sinnvoll sei, sondern auch, dass es den Wettbewerb aufheben und somit dem Versender sowie dem Endkunden schaden würde. „Der Einheitsdienst würde kein Problem lösen, sondern neue Probleme schaffen“, sagt ein Sprecher des Unternehmens.
Hermes sieht deutlich mehr Potenzial beim Einrichten von Ladezonen für Lieferfahrzeuge. „Die zeitaufwendige, teils nervenaufreibende Suche nach freien Parkplätzen oder Ladezonen würde vielfach entfallen, die Zustellung würde beschleunigt werden und weniger Stress (für den Zusteller) bedeuten“, sagt sie.
Besonders sinnvoll seien ausgewiesene Haltemöglichkeiten in der Nähe von Paketshops. „Wenn Sie heute einen Paketshop in Innenstadtlage beliefern wollen“, erklärt sie, „ist das aufgrund der schwierigen Parkplatzsituation eine ziemliche Herausforderung.“ Dabei sei die gebündelte Lieferung an eben solche Paketshops schon heute „in puncto Nachhaltigkeit und Effizienz deutlich sinnvoller, als für jedes Paket eine Haustür anzusteuern.“
Auch DPD sieht die wachsende Bedeutung von Paketshops. „Diese Alternativen bündeln Paketmengen höchst effizient, reduzieren Verkehre und sind somit deutlich umweltfreundlicher als die Haustürzustellung“, so der Sprecher.

Alternative Konzepte zur Reduzierung des Verkehrsaufwands
01
Interaktion mit Kunden
Empfänger sollten Lieferzeiten, Ablageorte und alternative Zustelladressen angeben können. So kann die Erstzustellquote erhöht werden.
02
Routenoptimierung
Echtzeit-Verkehrsdaten sollten in die Routenplanung einflieflen, damit Zusteller Staus und Umleitungen durch Baustellen vermeiden können.03
Ladezonen
Parkbuchten für Kep-Fahrzeuge sollten einheitlich beschildert und Falschparker konsequenter aufgeschrieben werden.
04
Arbeitsplatzbelieferung
Erhöht die Erstzustellquote und Lieferwege können gebündelt werden.
Mehr Verkehr durch Bündelung
Laut der Untersuchung vom Biek führt die Konsolidierung nicht zu weniger, sondern tatsächlich zu mehr Verkehr. Das liegt beispielsweise daran, dass Sendungen zu dem Depot eines Wettbewerbers gefahren werden müssen, um von dort zugestellt zu werden. Diese Art von Inter-Depot-Verkehren gibt es derzeit nicht. Am Beispiel München zeigt sich, dass pro Arbeitstag 34 Wechselbrücken im Stadtgebiet umzusetzen sind. Müssten diese zu einem anderen Depot geliefert werden, würde das einen zusätzlichen LKW-Verkehr von mehr als 1.000 km generieren – und das Kep-Unternehmen rund 8.500 EUR zusätzlich kosten.
Zudem wurden im Rahmen der Studie nur die Daten von zwei Unternehmen untersucht. Würden sich alle Wettbewerber an der Gebietskonsolidierung beteiligen, so der Biek, müssten Unternehmen zusätzlich in den Um- und Neubau von Konsolidierungsdepots investieren. Die Kapazitäten der derzeitigen Depots würden nicht ausreichen.
Ein weiteres Problem: Inter-Depot-Verkehre verlängern die Laufzeiten für Zustellung und Abholung um einen Tag. Bis ein Kep-Zusteller seine Sendungen sortiert und zum Depot eines Wettbewerbers gebracht hat, hat Letzterer seine Zustelltour längst begonnen. Die Zustellqualität würde sich bei einem Konsolidierungsprozess also nicht erhöhen, zumal alle Kep-Dienstleister ihre eigenen Systeme zur Sendungsverfolgung oder Änderung der Empfangsadresse haben. Diese stünden den Empfängern bei einer Konsolidierung ebenfalls nicht zur Verfügung.
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Mikro-Depots
Klassische Lieferwege werden verkürzt, wodurch auch der klassische Lieferverkehr beispielsweise durch Lastenfahrräder im Verhältnis von 1:1,1 bis 1:1,3 ersetzt werden kann.
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Anbieterübergreifende Paketstationen
Zustellverkehre können gebündelt und die Erstzustellquote erhöht werden. Kunden können Sendungen von allen Anbietern an einem Ort und zum selbst gewählten Zeitpunkt abholen.07
Paketshops
Kep-Verkehre werden gebündelt und die Erstzustellquote erhöht. Kunden können Sendungen zum selbst gewählten Zeitpunkt abholen.
08
Bessere Verpackungen
Mehrere Sendungen zu einem Paket bündeln. Die Wahl des geeigneten Verpackungsmaterials reduziert die Anzahl der Sendungen und das Volumen.

Laut dem Biek wird auch die Zahl der Zustellfahrzeuge in der Innenstadt gar nicht oder um maximal ein Fahrzeug reduziert. In Nürnberg sank sie von 9 auf 8 und in München von 11 auf 10 Liefervans. Betrachtet man zudem den Gesamtverkehr in der Innenstadt, sind solche Einsparungen vernachlässigbar.
„Die eigentliche tourenplanerische Restriktion auf der letzten Meile ist die Arbeitszeit des Zustellers und nicht die Auslastung der Fahrzeuge in Gewicht oder Volumen“, schreibt der Biek in seinem Positionspapier. Durch die Konsolidierung würden Tourenlängen und Stoppdistanzen kürzer, was die Arbeitsbelastung des Zustellers weiter erhöhen würde. Schlussendlich müsste das durch längere Arbeitszeiten oder zusätzliches Personal abgefangen werden – was die Anzahl der Kep-Fahrzeuge in Innenstädten wieder erhöhen würde.
Auch wenn eine Konsolidierung nicht die Antwort auf wachsenden Lieferverkehr ist, „mit rasant steigenden Paketmengen werden wir bei allen Marktteilnehmern noch eine Reihe innovativer Konzepte sehen“, sagt die Hermes-Sprecherin. Der Biek hat bereits einige alternative Konzepte vorgestellt (siehe Kasten). Hermes glaubt zudem, dass die partielle Freigabe von Busspuren oder die Lockerung punktueller zeitlicher Einfahrverbote das Verkehrsaufkommen reduzieren könnten.