Um intelligente Transportsysteme geht es beim ITS-Weltkongress, der 2021 in Hamburg stattfindet. Die Hansestadt wird die Veranstaltung gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 11. bis 15. Oktober ausrichten.

Dabei geht es um Informations- und Kommunikationstechniken, die den Verkehr und Logistikabläufe sicherer, wirtschaftlicher, effizienter und umweltschonender machen.
ZULAMO sprach mit Andreas Rieckhof, Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, darüber, wie sich die Hansestadt auf das Großereignis vorbereitet und das Verkehrsaufkommen künftig bewältigen will.
In Hamburg findet 2021 der ITS-Weltkongress statt. Wie bereitet sich die Stadt auf dieses Großereignis vor?
Hamburg ist der richtige Ort für den ITS-Weltkongress 2021: Wir entwickeln schon jetzt Projekte, die die Mobilität von Menschen und Gütern künftig effizienter, sicherer, komfortabler und umweltfreundlicher machen sollen. Der Kongress selbst ist für die ganze Mobilitätswirtschaft in Deutschland eine Chance und wunderbare Plattform, ihre Leistungsfähigkeit zu beweisen. Wir haben für den Weltkongress übrigens schon jetzt Voranmeldungen für 70 Prozent der Flächen am Veranstaltungsort erhalten und mussten eine Halle hinzubuchen.
Welche Projekte werden in Hamburg umgesetzt, die eine intelligente Verkehrssteuerung beinhalten?
Es gibt bereits mehr als 70 aktive ITS-Projekte in Hamburg. Viele davon werden wir 2021 zeigen können. Wichtig ist aber auch, dass die Projekte weit über 2021 hinaus laufen und ihre Wirkung entfalten werden. Es ist schön, den Weltkongress bei uns in der Stadt zu haben. Er beschleunigt unser Vorhaben, die Stadt über den Kongress hinaus an vielen Stellen zu modernisieren. In Sachen intelligente Verkehrssteuerung sind wir recht weit. Nehmen Sie nur unsere Ampeln: Die meisten Hamburger Ampeln sind heute schon adaptiv und vernetzt gesteuert: Wärmebildkameras oder Schleifen in der Fahrbahn erkennen das Verkehrsgeschehen direkt an den Ampeln und beeinflussen entsprechend die Schaltprogramme. Und wie Sie wissen, betreiben wir eine neun Kilometer lange Teststrecke für automatisiertes Fahren in der Innenstadt. Sie ist explizit offen für alle Unternehmen und Institutionen, die hier intelligente und vernetzte Verkehrssteuerung testen und anwenden. In einem Bundesförderprojekt testen wir gerade neue digitale Möglichkeiten zur Bevorrechtigung des Busverkehrs – dies, um nur einige Beispiele zu nennen.
Inwieweit ist es in der Hansestadt denkbar und möglich, die Binnenwasserwege für den Gütertransport zu nutzen?
Hamburg mit seinen Kanälen und Fleeten bietet hier sicher Potenzial, und Erfahrungen aus Paris und Amsterdam haben gezeigt, dass Wasserwege den Erfordernissen der City-Logistik grundsätzlich gewachsen sind. Bevor aber Güter auf Binnenschiffen innerhalb der Stadt transportiert werden können, müssen offene Fragen geklärt werden, etwa zu den Wassertiefen, zur Tidenabhängigkeit und zu möglichen Anlegestellen.
In den vergangenen Jahren ist die Bevölkerungszahl in Hamburg jährlich im Schnitt um etwa 20000 Einwohner gestiegen. Das hat Folgen für die Infrastruktur, den ÖPNV sowie die Ver- und Entsorgung.
Die öffentlichen Verkehrsmittel sind zu Stoßzeiten überfüllt, auf den Straßen stehen Lkw und Pkw im Stau. Welche Lösungen hat die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, um die Situation zu entspannen?
Natürlich beschleunigt das rasante Bevölkerungswachstum der Stadt die Nachfrage nach Mobilität. Das sehen Sie zum Beispiel am Hauptbahnhof, der aus allen Nähten platzt. Hier müssen zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.
Das ist aber nur ein Aspekt: Wir stärken den Nahverkehr und setzen zusätzlich auf alternative Angebote. Dafür erweitern wir das Bus- und Bahnangebot auf zwei Ebenen: einerseits langfristig, indem wir das U- und S‑Bahnnetz massiv ausbauen. Denn das sind die Fahrzeuge, mit denen wir am meisten Menschen zügig und zuverlässig von A nach B bringen, ohne die Straßen und die Umwelt zu belasten. Deshalb planen wir gerade eine komplett neue U‑Bahn-Linie. Rund 150.000 Hamburger werden dank ihr in vielen Stadtteilen fußläufig ans Schnellbahnsystem angeschlossen. Weil das aber nicht von heute auf morgen geht, steigern wir derzeit das Angebot im öffentlichen Nahverkehr in einem bislang nicht dagewesenen Ausmaß. Gleichzeitig wollen wir auch den Radverkehrsanteil in der Stadt steigern.
Und natürlich modernisieren wir das Hamburger Straßennetz – der aktuelle Straßenzustandsbericht gibt uns Recht, dass sich die Baustellen in der Stadt auszahlen. Und auch den Fernverkehr haben wir im Blick: Unsere beiden Hauptachsen, die A1 und A7, verbreitern wir gerade, damit der stetig wachsende (Last-)verkehr auch zukünftig fließen kann, und reparieren die in die Jahre gekommenen Abschnitte. Zusätzlich wird die neue A26 die Hafenverkehre entlasten und eine direkte Verbindung zwischen A1 und A7 schaffen. Dafür kämpfe ich seit 2011.
Wie fördert Hamburg die Elektromobilität?
Aktuell stehen in Hamburg bereits über 1.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte zur Verfügung, davon sind allein 960 mit öffentlichen Mitteln finanziert. Mit diesem Angebot steht Hamburg an der Spitze der deutschen Metropolen.
Aber öffentlich zugängliche Ladepunkte allein reichen nicht: Es muss auch unbedingt deutlich mehr Lademöglichkeiten im privaten Umfeld geben, zum Beispiel in Tiefgaragen von Wohnhäusern oder beim Arbeitgeber.
Eines möchte ich aber auch klarstellen: Hamburg ist, was alternative Antriebe angeht, technologieoffen: Hier ist insbesondere Wasserstoff die große Chance, zukünftig emissionsfrei unterwegs sein zu können. Gerade Norddeutschland hat beste Voraussetzungen für die Produktion von Wasserstoff. Deshalb haben wir norddeutsche Küstenländer gerade eine gemeinsame Wasserstoffstrategie auf den Weg gebracht. Eine grüne Wasserstoffwirtschaft kann auch eine Säule der Energie- und Verkehrswende sein.
In Hamburg wird über autofreie Viertel diskutiert. Was halten Sie davon, Individualverkehr gezielt zumindest aus Teilen der Stadt zu verdrängen, um andere Arten der Mobilität zu fördern, beispielsweise alternative Antriebe oder Sharing-Angebote?
Ich setze auf Angebote, nicht auf Verbote. Jeder soll das Recht haben, so in die Innenstadt zu kommen, wie er möchte. Wer mit dem Auto in die Stadt fährt, soll das tun können. Unser Angebot aus Bus & Bahn, Rad- & Fußwegen, Taxis & Shuttlediensten kann man aber eigentlich nur schwer ablehnen.
Wird es ein Lieferkonzept für Kep-Fahrzeuge geben, beispielsweise Kep-Fahrspuren und Entladezonen und regulierte Lieferzeiten?
E‑Commerce erlebt weiterhin ein starkes Wachstum – und damit werden auch die KEP-Verkehre weiter zunehmen. Wir gehen derzeit von rund 160 Mio. Paketen im Jahr 2030 in Hamburg aus. 2017 waren es noch etwa 95 Mio.
Deshalb wollen wir eine Modellregion für „Smarte Letzte Meile Logistik“ werden und haben gemeinsam mit der Logistik-Initiative Hamburg einige Pilotprojekte für die Belieferung der letzten Meile initiiert. Dazu gehören Mikro-Depots mit Pick-up Points, autonome Zustellfahrzeuge/Roboter und die Belieferung am Arbeitsplatz. Auf immer mehr Straßen richten wir Ladezonen ein. Wir wollen die erste Stadt in Deutschland sein, in der Ladezonen digital angezeigt, reserviert und in Hinblick auf Ihre Belegung überprüft werden können.
Aber klar ist, dass das noch nicht alles war. Wir müssen die städtischen Lieferverkehre in gelenkte Bahnen bekommen und CO₂-Emissionen reduzieren. Dafür braucht es konkrete Maßnahmen für die letzte Meile. Zu diesem Thema haben wir ein Gutachten auf den Weg gebracht, mit dem uns das gelingen soll.
Welche Maßnahmen setzt die Stadt um, um die Luftqualität zu verbessern?
Die Stadt setzt eine Vielzahl von Anreizen, um die Erneuerung hin zu einem emissionsarmen Straßenverkehr deutlich zu beschleunigen. Zum Beispiel wird Hamburg ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anschaffen. Das ist ein Baustein von vielen, auch der oben ausgeführte weitereichende Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Förderung des Radverkehrs in Hamburg sind wesentliche Bausteine.
Wird es weitere Dieseldurchfahrtsbeschränkungen geben, und wenn ja, wo?
Grundsätzlich wird die Luftqualität in Hamburg von Jahr zu Jahr besser und nicht schlechter. Weitere Dieseldurchfahrtsbeschränkungen sind nicht geplant. Vor allem mit der fortschreitenden Erneuerung des Autobestands und der Modernisierung der Linienbusflotte werden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in Hamburg in absehbarer Zeit überall eingehalten. Darum sind wir ganz entspannt. Zwei Modellprojekte in Hamburg sollen die Verkehrssituation entlasten und unnötige Transporte vermeiden. Die Logistik-Initiative Hamburg hat die Vorhaben angestoßen. Zum ITS-Weltkongress 2021 will die Hansestadt Vorreiter bei intelligenter Verkehrssteuerung sein